Zugehende soziale Arbeit

Das Konzept der zugehenden Sozialarbeit des DHZ sieht vor, dass die darin beschäftigten Sozialarbeiter:innen sich in die Lebenswelten von Drogenkonsument:innen begeben. Damit sind nicht nur öffentliche Räume wie die Johanneskirche, der so genannte Pavillon oder der Bahnhofsvorplatz in Saarbrücken gemeint, sondern auch halböffentliche (private Plätze, die jedoch uneingeschränkt oder begrenzt öffentlich nutzbar sind wie z.B. Parkhäuser) und private Bereiche. Die besondere Bedeutung der zugehenden Sozialarbeit des DHZ liegt darin, dass sie Zugangsmöglichkeiten zu einer ansonsten schwer erreichbaren Gruppe in deren unmittelbarem Lebensumfeld eröffnet, indem die Mitarbeiter:innen persönliche Kontakte zur Zielgruppe knüpfen und Hemmschwellen abbauen, die die Nutzung von Hilfeangeboten erschweren oder unmöglich machen.

Le Trottoir

„Le Trottoir-Hilfen für Prostituierte“ ist ein Außenprojekt des DHZ. Das Angebot ist in zwei Containern am Straßenstrich untergebracht, der sich in der Nähe des DHZ aber außerhalb des Wohngebiets befindet. Prostitution und Konsum liegen zeitlich nahe beieinander. Die Akzeptanz der Frauen für den Standort und das Projekt steht und fällt mit der fußläufigen Erreichbarkeit von DHZ und Szene. Der Standort für Prostituierte aus dem Drogenmilieu wurde explizit von der saarländischen Sperrgebietsverordnung ausgenommen. Der Straßenstrich kann an allen Tagen im Jahr rund um die Uhr zur Anbahnung von Prostitutionsgeschäften genutzt werden. Die Container mit Schutz- und Schoncharakter sind in den Abendstunden geöffnet. Das Projekt ist personalisiert mit einer hauptamtlichen Mitarbeiterin aus dem Sozial- oder Krankenpflegedienst des DHZ sowie mit einer Honorarkraft. Die Container beinhalten einen allgemeinen Aufenthaltsraum, ein Büro zur Einzelberatung und sanitäre Anlagen. Außerhalb ist ein Notrufknopf angebracht.

Hintergrund

Die Prostitution ist eine der häufigsten Drogenfinanzierungsmethoden süchtiger Frauen.

Bis Ende 2006 knüpften Beschaffungsprostituierte in Saarbrücken ihre Kundenkontakte auf der Eisenbahnbrücke in unmittelbarer Nähe des DHZ. Dort verlief die Grenze des damaligen Sperrgebiets.

Die Menschen, die in der Nähe von DHZ und Straßenstrich wohnten, erlebten das Prostitutionsgeschehen als massive Störung und fühlten sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt (Belästigung weiblicher Nachbarn durch Prostitutionskunden, starker Straßenverkehr).

Die Frauen auf dem Straßenstrich waren – ob im Entzug oder unter starkem Drogeneinfluss stehend – sich selbst überlassen. Solidarisches Verhalten gab es kaum. Persönliche Animositäten und Konkurrenzdruck unter den Frauen sowie polizeiliche Repression im direkten Umfeld des DHZ führten zu Vereinzelung. Belastend kam hinzu, dass sich sporadisch Zuhälterstrukturen aus dem Drogenmilieu konstituierten, die mit Erpressung, Raub und körperlichen Übergriffen einhergingen. Die Beschaffungsprostituierten litten unter den Arbeitsbedingungen, die beschriebenen Umstände verunsicherten sie und wirkten sich negativ auf das Treffen und Durchsetzen geschäftlicher Vereinbarungen mit Kunden und auf das eigene Sicherheitsmanagement aus.

Um den Bedürfnissen beider Interessengruppen gerecht zu werden, wurde das Angebot “Le Trottoir – Hilfen für Prostituierte“ konzipiert und bei gleichzeitiger Erweiterung des Sperrbezirks durch Veränderung der saarländischen Sperrbezirksverordnung im Januar 2007 eröffnet. Die Konzeptionierung des Projekts als Außenprojekt des DHZ und seine Implementierung verdanken sich der Kooperation von Vertretern des MiJAGS (Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales), der Stadt Saarbrücken, des Regionalverbands Saarbrücken, der Polizei und des DHZ . Basis aller Überlegungen ist die Überzeugung, dass Prostitution und Drogengebrauch als gesellschaftliche Realitäten durch Repression nicht zu verhindern sind.

Die Zielgruppe

Durch den Konsum illegaler Drogen und durch die öffentlich erkennbare Prostitutionstätigkeit sind Beschaffungsprostituierte in besonderem Maße von Stigmatisierung, Marginalisierung und Illegalität betroffen.

Innerhalb von Drogen- und Rotlichtmilieu sind Drogenprostituierte auf der untersten Stufe der szeneinternen Hierarchie angesiedelt. Scham- und Schuldgefühle sowie ein geringes Selbstwertgefühl kennzeichnen das Innenleben der betroffenen Frauen. Gewalterfahrungen und Abwertung sind alltäglich in ihrer Lebensrealität. Beschaffungsprostituierte konsumieren Drogen und Alkohol in hohen Dosierungen, da die Prostitution das Bedürfnis des „Wegdrückens“, des „Nichts-mehr-fühlen-Wollens“ verstärkt. Dieses Konsumverhalten macht die Frauen zu potentiellen Opfern: bedingt durch massive Intoxikationen oder Entzugserscheinungen sind sie nicht mehr in der Lage, dem Prostitutionskunden gegenüber ihre geschäftlichen Bedingungen durchzusetzen. Das kann dazu führen, dass sie sich auf den Verzicht von Kondomen oder auf gefährliche Sexualpraktiken einlassen, oder dass sie Opfer von Raub und (sexualisierter) Gewalt werden.

Ziele

“Le Trottoir“ hat das Ziel, die gesundheitlich gefährdete Risikogruppe Beschaffungsprostituierter zu erreichen und zu binden, um Überlebens- und Ausstiegshilfe leisten zu können. Im Einzelnen heißt das:
  • Förderung des Gesundheitsbewusstseins und gesundheitliche Stabilisierung
  • Verhinderung von Krankheitsübertragung
  • Stabilisierung der psychischen Konstitution
  • Existenzsicherung (Nutzung des Hilfesystems, praktische Überlebenshilfen)
  • Förderung von Solidarität
  • Professionalisierung und Entwicklung von Selbstsicherheit
  • Entwicklung alternativer Lebenskonzepte
Ziel des “Le Trottoir“ ist darüber hinaus die Entlastung des DHZ Umfeldes durch die Auslagerung des Prostitutionsgeschehens aus dem Wohngebiet.

Angebote

Um die Grundversorgung der Nutzerinnen sicherzustellen, werden sanitäre Anlagen (Toilette und Dusche) bereitgestellt sowie Lebensmittel und Getränke kostenlos ausgegeben.

Angebote mit präventivem Ansatz sind die kostenlose Ausgabe von Kondomen und Gleitgel, Verteilen von Informationsbroschüren und Beratung (Safer Sex, Safer Work und Safer Use Beratung, Beratung i.S. der STD- und HIV-Prävention). Im Betreuungscontainer gibt es ein “Freier-Warnsystem“; die Nutzerinnen können sich gegenseitig über gewaltbereite Freier informieren.

Einzel- und Gruppenberatungen beinhalten Informations-, Sozial-, Gesundheits-, und Ausstiegsberatung, Krisenintervention und Vermittlung in weiterführende Hilfen. Die Einzelfallhilfe beinhaltet darüber hinaus aufsuchende und begleitende Soziale Arbeit inklusive Prozessbegleitung.

Im Rahmen der Sozialen Arbeit vor Ort machen die Mitarbeiterinnen auch Streetwork im Umfeld des Projektes.

Einmal wöchentlich ergänzt eine Mitarbeiterin von Aldona e.V. das Team des „Le Trottoir“, einmal monatlich eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamts Saarbrücken. Die Mitarbeiterinnen der anderen Beratungsstellen beraten die Nutzerinnen mit ihrem speziellen Know-how.

SUD

Im Rahmen des Projekts „Sauberes Umfeld DHZ“ (SUD) werden Plätze des Drogenkonsums im öffentlichen Raum von den dort zurückgelassenen Verschmutzungen gereinigt. Als Beschäftigungsprojekt bezieht SUD Nutzer:innen des DHZ mit ein. In einem festgelegten Rhythmus reinigen die Mitarbeiter:innen von SUD täglich Plätze im Umfeld des DHZ von erkennbarem Drogenmüll und andere Verschmutzungen. Darüber hinaus werden bei Bekanntwerden auch andere Orte im Umfeld gereinigt.

An alle, die Drogenmüll im Umfeld der Einrichtung bemerken, ergeht die Bitte, sich telefonisch zu melden. Wir werden zeitnah auf die Problemanzeige reagieren und den Drogenmüll entfernen.

Während der Öffnungszeit erreichen Sie das SUD-Team unter Tel.: 0162-7823697 oder 0681-93818-0.

Praxis zur medizinischen Grundversorgung

In Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland betreibt das Drogenhilfezentrum eine Praxis zur medizinischen Grundversorgung im DHZ, in der sich aktuell eine Ärztin und zwei Ärzte ehrenamtlich engagieren:
Frau Tina Bender, Herr Gerhard Baltes und Herr Alexander Segner ermöglichen, dass die Praxis zweimal bis dreimal im Monat geöffnet werden kann.

Naloxon-Modellprojekt

Im Rahmen eines Landes-Modellprojektes wird Opiatkonsumierenden, nachdem sie im DHZ an einer intensiven Erste-Hilfe-Schulung teilgenommen haben, Naloxon verschrieben, damit es ihnen von Dritten im Überdosierungsfall verabreicht werden kann oder sie es selbst im Notfall anderen verabreichen können.

Naloxon ist in der Notfallmedizin bereits langjährig erprobt. Der schnellste spezifische Weg, eine opiatbedingte Atemdepression zu beseitigen, ist die Injektion des Opiatantagonisten Naloxon. Naloxon kann innerhalb weniger Minuten lebensbedrohliche Effekte wie Atemlähmung aufheben. Eine Überdosierung ist nicht möglich. Die Halbwertzeit von Naloxon liegt zwischen 30 und 80 Minuten, sie ist damit deutlich kürzer als die der gebräuchlichen Opiate. So kann eine vorübergehende Bewusstseinsaufklarung nach erfolgter Naloxoninjektion täuschen. Ein erneuter Atem- bzw. Kreislaufstillstand droht. Das Absetzen eines Notrufs, worauf in der Erste-Hilfe-Schulung im DHZ eindringlich hingewiesen wird, ist daher unerlässlich.

HIV-, Hepatitis-, und Lues-Testung und –Beratung

Kostenlose und anonyme HIV-, Hepatitis-, und Lues -Beratungen und -Testungen finden in Kooperation mit dem Gesundheitsamt Saarbrücken im DHZ statt

Musik- & Kunstprojekt

Für alle, die sich musikalisch sowie künsterlisch verwirklichen möchten, bietet das Drogenhilfezentrum ab sofort Musik- und Kunstwerkstätten für seine Besucher:innen an.

Die beiden Projekte sind freiwillig, kostenlos und niedrigschwellig.

Die Kunstkurse finden jeden zweiten Montag um 15 Uhr im DHZ statt.

Die Musikkurse beginnen immer mittwochs (ebenfalls im zweiwöchigen Abstand) um 16 Uhr, ebenfalls im DHZ.

Weitere Infos unter: 0681/93818-0 und 0681/93818-21